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Selbstorganisierte Räume für eine solidarische Stadt

„Hausprojekte“… Unter dem Begriff lässt sich vieles fassen: Investorinnen, die ihre Luxuswohnungen als „Freiraum“ anpreisen; ehemals besetzte Häuser, die eine Volxküche betreiben; Freundeskreise, die gemeinsam ein Haus anmieten; Künstler*innen, die in Wächterhäusern auf die Bausubstanz achtgeben. Das alles gibt es in Leipzig. In dieser heterogenen Leipziger Szene setzte im Frühjahr 2012 ein Diskussionsprozess ein, in dessen Zuge sich die Bewohner_innen einiger Häuser (im Rahmen eines Leserbriefs) auf einige Grundwerte und auch Abgrenzungen verständigten. Seit diesem Selbstverständnis ist viel passiert. Aus der Zusammenarbeit entstand der Haus- und WagenRat e.V. So unterschiedlich die einzelnen Projekte sind, die der Haus- und WagenRat e.V. vereint – von reinen Wohnhäusern mit vielen Kindern über den Wagenplatz mit Kulturprogramm bis zum Hausprojekt mit politischem Anspruch – so teilen sie doch die Grundwerte:

    • Gleichberechtigung aller BewohnerInnen und NutzerInnen,
    • Dauerhafte Vergesellschaftung durch kollektives Eigentum der Immobilien,
    • Die Schaffung einer solidarischen Infrastruktur zwischen den Projekten,
    • Die Unterstützung neuer Gruppen, die diese Ziele teilen,
    • Eine Nutzung, die auch Menschen mit geringen finanziellen Mitteln Zugang ermöglicht, nicht als Privileg einer kleinen Gruppe, sondern als Grundrecht aller Menschen

Wie das in den einzelnen Räumen konkret umgesetzt wird, ist sehr verschieden. Manchmal sind die Bewohner*innen bewusst zusammengezogen, um ein leeres Haus auszubauen. Andere sind aus Mietergemeinschaften entstanden, die ihr Haus übernommen haben. In manchen Räumen wird vor allem gearbeitet. In anderen gewohnt. Manche haben große Gemeinschaftsküchen, in denen regelmäßig für alle gekocht wird. Andere haben klar abgetrennte Wohnungen. Einige Orte sind reine Kulturprojekte. Im anderen ist im Schuppen noch eine kleine Fahrradselbsthilfewerkstatt untergebracht. Gemeinsam ist den Projekten, dass es ihnen nicht nur um ein „Schöner Wohnen“ für sich selbst geht – sondern um ihre Räume als Bausteine einer solidarischen Stadt. Der Haus- und WagenRat e.V. beschäftigt sich daher keineswegs nur mit der Vernetzung der Mitgliedsprojekte (das auch), sondern mischt sich ein: etwa wenn es um eine menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten geht oder um die Zukunft der Wohnungspolitik in Leipzig.

Wagenplätze

In Leipzig gibt es über ein Dutzend Wagenplätze. Aber was ist das eigentlich, ein Wagenplatz? Vereinfacht gesagt: Hier leben Menschen nicht in festen Häusern, sondern in ehemaligen Bauwägen oder LKWs. Das klingt nach einem sehr kargen Leben – doch tatsächlich sind viele der Wägen liebevoll aus- und umgebaut. Trotz des individuellen Lebensstils haben die Plätze in der Regel ein gemeinschaftliches Grundverständnis. Meistens gibt es geteilte Küchen-, Bade- oder sogar Saunawägen und die Bewohner*innen verwalten ihren Platz gemeinsam selbst. Manche Plätze bieten Raum über 30 Bewohner*innen, andere nur für fünf Menschen, manche sind über Jahre stabil und bei anderen gibt es viele Ein- und Auszüge. Was in aufwändigen Machbarkeitsstudien hochbezahlter Architekt*innen ein hehres Ziel darstellt, ist auf jedem Wagenplatz gelebte Praxis: „Flexibles und mobiles Wohnen, das sich immer wieder den Bewohner*innen anpasst.“ Hier aber nicht als Avantgarde-Häuschen für Reiche, sondern als gemeinschaftliches Wohnen mit sozialem Anspruch.

Warum machen Menschen das?

Die Bewohner*innen schätzen die Möglichkeit, sich selbst für wenig Geld Wohnraum zu schaffen, der ihren individuellen Bedürfnissen entspricht, der sich nach Bedarf anpassen lässt und in dem viel oder alles selbst gebaut und repariert werden kann. Oft geht das einher mit einem mehr der weniger engen Leben in einer Gemeinschaft, mit naturnahem Wohnen und vielem mehr. (Kurzvideo zum „Mikroapartment Bauwagen“)

Ist das nicht illegal?

Die Plätze in Leipzig sind in sehr unterschiedlichen Situationen. Manche haben ihr Gelände gemeinschaftlich gekauft, andere haben Miet- oder Pachtverträge. Manche der Wagenplätze sind aus Besetzungen hervorgegangen. Baurechtlich befinden sich Wagenplätze oft gezwungenermaßen in einer Grauzone, da Baurecht und Stadtplanung bislang das Wagenwohnen nicht im Blick haben. In anderen Bundesländern gibt es bereits baurechtlich legalisierte Plätze.